frei oder nicht frei?

Menschliche Freiheit wird schon seit Jahrhunderten kontrovers diskutiert, in letzter Zeit wieder unter einem neuen Aspekt. Experimente von Hirnforschern, wie z.B. Libet, können so ausgelegt werden, dass der Mensch zumindest einige seiner Entscheidungen nicht bewusst trifft, sondern dass sein Unterbewusstsein schon Handlungen vorbereitet, bevor es ihm bewusst wird. Dies wird zum Teil so ausgelegt, als sei der Mensch nicht frei sondern prinzipiell berechenbar und in seinen Handlungen festgelegt, weil er ja naturgesetzlich so handeln muss wie er schließlich handelt. Hierbei wird zwar eingeräumt, dass die technischen Möglichkeiten zur Zeit noch nicht die totale Durchleuchtung der Entscheidungsvorgänge ermöglicht, doch sei dies nur eine Frage der Zeit und der technischen Entwicklung. Ein Verlust der Freiheitseigenschaft in diesem Sinne hätte auch einen Verlust der Verantwortung für das eigene Handeln zur Folge und ließe damit z.B. auch keine moralisch ethische Bewertung und rechtliche Beurteilung zu.
Bei diesen Überlegungen wird anscheinend unterstellt, dass das Unterbewusstsein naturgesetzlich festgelegt ist, das Bewusstsein dagegen nicht. Auch wird unterstellt, dass das „Ich“ offenbar durch das Bewusstsein definiert sein soll, das sich als übergeordnete Instanz des Gehirns so bedient wie es Arme und Beine benutzt, wohingegen das Unterbewußtsein als dunkle Macht gesehen wird, die die Freiheit des "Ich" einschränkt.

Die dazugehörigen Betrachtungen legen häufig ein statisches Menschenbild zugrunde, so als wären wir nicht zeitlich in unterschiedlicher Verfassung und zwar kurzfristig ( z.B. im Laufe des Tages), mittelfristig (z.B. im Laufe weniger Wochen bis Jahre) und langfristig ( im Laufe des Lebens).
Darüber hinaus sind die Betrachtungen fast ausnahmslos binär digital, d.h. sie kennen nur frei oder nicht frei, aber nicht mehr oder weniger frei. Eine realistische Betrachtung sollte jedoch vermeiden Bewußtsein und Unterbewußtsein zu trennen und sollte auch vermeiden nur in Schwarz-Weiß zu denken:

Ein bisschen Freiheit
Wenn ich die Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen betrachte und nur das Bewusstsein als Träger der Freiheit akzeptiere, dann müsste es einen Moment im Leben geben, an dem plötzlich die Freiheit gegeben wird, die vorher nicht da war. Dies ist nicht so. Der Säugling zeigt praktisch kein Bewusstsein im Sinne des Erwachsenen. Bewusstsein entsteht nach und nach im Laufe des Lebens. Freiheit kann auch nach diesem eingeschränkten Verständnis somit nicht binär digital sein sondern muss etwas sein, was allmählich zunimmt. Die Feststellung kann also nicht sein, der Mensch ist frei oder nicht frei, sondern kann nur relativ sein: Der erwachsene Mensch ist freier als ein Kind ( wenn er nicht durch äußere Einwirkungen unfrei gehalten wird), der eine Mensch ist freier als der andere, derselbe Mensch ist manchmal freier und manchmal weniger frei.
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